Wohnst du gerne im Kanton Bern oder Kanton Solothurn? Falls ja, dann widerspricht das zumindest teilweise dem Gemeinderanking der «Handelszeitung». Laut dem Ranking solltest du mehr oder weniger todunglücklich sein, mindestens aber unzufrieden.
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Wo die Bonzen wohnen, da ist das Leben lebenswert?
Die bestplatzierte Gemeinde im Kanton Bern ist Saanen (Platz 139) mit dem Ortsteil Gstaad. Die Gemeinde also, in der sich Einheimische das Wohnen nicht mehr leisten können, weil Robbie Williams und Co. Liegenschaften zu Mondpreisen kaufen.
Ein Kriterium des Rankings ist die Nähe zu einem Zentrum. Ob der Flugplatz Saanen mit seiner Privatjet-Anbindung den entscheidenden Ausschlag gegeben hat für die Topplatzierung innerhalb des Kantons Bern? Denn per Auto dauert die Reise von der hintersten Gemeinde des Saanenlands nach Lausanne oder Bern doch fast anderthalb Stunden.
Pieterlen fast am schlechtesten
Wer im Zentrum selbst wohnt, also in Bern (immerhin die Hauptstadt), der muss sich mit Platz 491 begnügen. Besser wäre es da, man würde in Wohlen (370) oder im ebenfalls gutbetuchten Muri (390) wohnen. Das ist neben Saanen dann aber schon das höchste der Gefühle, die Gemeinden im Kanton Bern schneidet im Ranking sonst durchwegs schlecht ab. Praktisch alle Ortschaften liegen im hinteren Teil des Klassements mit insgesamt 954 Gemeinden.
Auf dem viertletzten Platz überhaupt befindet sich die Seeländer Gemeinde Pieterlen (950), die im letzten Jahr unter anderem wegen Problemen mit der Schule in den Schlagzeilen stand. Der Zustand der Schulen ist denn auch eines der 50 Kriterien, die laut Handelszeitung bewertet werden.
Alle grösseren Berner Gemeinden befinden sich im hinteren Teil des Rankings - Bern (491)
- Thun (730)
- Langenthal (765)
- Burgdorf (795)
- Biel (908)
Bellach neues Schlusslicht im Kanton Solothurn
Ein schwacher Trost für die Berner: Den Solothurnern gehts nicht besser. Auch hier belegen die Gemeinden die hinteren Ränge. Neues Solothurner Schlusslicht ist übrigens Bellach (936), knapp hinter Mümliswi-Ramiswil (935). Das letztjährige Schlusslicht des Gesamtrankings macht 18 Plätze gut. An den Werbevideos von prominenten Musikern für Mümliswil auf Tiktok wird es wohl nicht gelegen haben, auch wenn diese einen hohen Unterhaltungswert hatten.
In der vorderen Hälfte des Rankings finden sich lediglich vier Solothurner Gemeinden: Lohn-Ammansegg (395), Langendorf (365), Lostorf (364) und Erlinsbach (292). Was die Speuzer ärgern dürfte, ist dass das Aargauer Erlinsbach auf der anderen Seite des Erzbaches (71) deutlich besser abschneidet. Überraschend für viele Solothurnerinnen und Solothurner dürfte die Tatsache sein, dass Olten und Zuchwil besser abschneiden als die Kantonshauptstadt.
- Biberist (417)
- Olten (566)
- Zuchwil (627)
- Solothurn (657)
- Grenchen (843)
Alles eine Frage der Gewichtung
Ob die Gemeinden in den Kantonen Bern und Solothurn wirklich dermassen schlecht sind, darüber lässt sich vortrefflich streiten. Für das Ranking spricht, dass es seit Jahren unter den ungefähr gleichen Kriterien durchgeführt wird. Interessant sind deshalb vor allem Verschiebungen innerhalb des Rankings.
Der absolute Rang einer Gemeinde hängt stark von der Gewichtung der einzelnen Kriterien ab, die bewertet werden. Man wird dabei das Gefühl nicht los, dass vor allem ein guter Steuerfuss im Vordergrund steht. Dazu schreibt die Handelszeitung: «Die Ergebnisse wurden in acht Kategorien zusammengefasst: Wohnen, Arbeitsmarkt, Bevölkerungsstruktur, Steuerbelastung, Mobilität, Versorgung, Sicherheit, Ökologie. Der Durchschnitt dieser acht Kategorien ergibt den Gesamtrang einer jeden Gemeinde. Die Immobilienpreise wurden leicht höher gewichtet als die anderen Faktoren.»
Fazit: Nicht über alle Zweifel erhaben
Demnach sollten Gemeinden mit tiefen Immobilienpreisen besser abschneiden als hochpreisige. Weshalb Gemeinden wie Zug und Saanen in der Kategorie «Wohnen» Topplätze belegen (Platz 24 und 37), bleibt für normalsterbliche Durchschnittsverdiener ein Rätsel – oder haben wir da etwas nicht mitgekriegt und es gibt plötzlich Chalets in Gstaad zu Schnäppchenpreisen?
Fakt ist, es haben in der Endabrechnung vor allem Gemeinden besonders gut abgeschnitten, in denen potenzielle Abonnenten der Handelszeitung zuhause sind – Gemeinden wie Zug, Meggen, Hergiswil oder Cham.