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Mord in Interlaken: Boxerin Obenauf kämpft vor Obergericht um einen Freispruch

Mord in Interlaken

«Obenauf-Prozess» vor dem Obergericht – ist die Boxerin unschuldig?

· Online seit 19.02.2024, 06:18 Uhr
Vivane Obenauf steht am Montag vor dem Berner Obergericht. Vom Regionalgericht in Thun wurde die Ex-Boxweltmeisterin 2022 wegen Mordes an ihrem Ehemann zu 16 Jahren verurteilt. Nun will ihr Anwalt in zweiter Instanz einen Freispruch erwirken.
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Warum kommt es wieder zum Prozess gegen Viviane Obenauf? 

Am 9. Dezember 2022 wurde Viviane Obenauf in einem sogenannten Indizienprozess wegen Mordes an ihrem Ehemann erstinstanzlich schuldig gesprochen. Das Regionalgericht Oberland in Thun verurteilte die gebürtige Brasilianerin zu 16 Jahren Gefängnis und 12 Jahren Landesverweis.

Eindeutige Beweise für die Schuld von Viviane Obenauf gibt es nicht. Im Urteil des Thuner Regionalgerichts heisst es: «Dem Gericht liegen keine direkten Beweise für die Täterschaft der Beschuldigten vor.» Weiter steht, dass es jedoch ein «sehr dichtes Mosaik von Indizien» gebe, das ein vollständiges Gesamtbild ergebe, das in seiner Gesamtheit «erdrückend» sei.

Aus Sicht des Verteidigers Simon Bloch ist nicht breit genug ermittelt worden. Darum wurde das Urteil weitergezogen. Am Montag will Bloch aufzeigen, dass das «Mosaik von angeblich verschiedenen belastenden Indizien zu lückenhaft für eine Verurteilung ist», wie er gegenüber 20 Minuten sagt.

Was passierte in der Tatnacht? 

Obenauf soll am 18. Oktober 2020, zwischen 22.30 und 23.00 Uhr, ihren Mann ermordet haben. Im Eingangsbereich der Wohnung ihres Mannes habe sie den 61-Jährigen mit einem Baseballschläger angegriffen. Dabei habe sie ihm insgesamt 19 Verletzungen am Kopf zugefügt. Aufgrund der Schädelbrüche, grossflächigen Blutungen und weiteren Verletzungen an Rumpf und Extremitäten sei der ehemalige Des-Alpes-Wirt aus Interlaken zu Tode gekommen.

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Im Urteil heisst es, dass Viviane Obenauf geltend mache, dass sie an besagtem Abend zuhause «einen Liebesfilm angeschaut und die Wohnung nicht mehr verlassen habe». Laut Staatsanwaltschaft und Regionalgericht fuhr sie in Wahrheit aber in einem silbergrauen Cadillac von Oberried am Brienzersee, wo sie zum damaligen Zeitpunkt wohnte, nach Interlaken. Dies sollen einerseits winzige Blutspritzer des Opfers auf Obenaufs Schuhen, andererseits die Aussage eines Automechanikers beweisen. Dieser sagte aus, dass er das Auto von Obenauf an einer Tankstelle vorbeifahren gehört hatte.

Welches Motiv soll die Boxerin für den Mord gehabt haben?

Das Regionalgericht begründet das Motiv in der belasteten Beziehung zwischen der Beschuldigten und ihrem Mann. Zwischen den beiden soll es gekriselt haben. Es sei zu Streitereien gekommen, was auch Obenaufs Sohn ausgesagt hat. Man habe sogar über eine Scheidung diskutiert. Hinzu komme, dass das Handy des Opfers zerstört wurde. Laut dem damaligen Gerichtspräsidenten sei dies ein Hinweis für ein Beziehungsdelikt.

Ebenso sei der Mord am Ehemann von Viviane Obenauf eine «Übertötung». Das bedeutet, dass die Täterin oder der Täter das Opfer heftiger, länger und öfter attackiert hat, als nötig gewesen wäre, um es zu töten. Wiederum deuten Übertötungen darauf hin, dass ein enges Verhältnis zwischen Opfer und Täter herrschte.

Könnte es andere Täter geben? 

Für den Verteidiger Simon Bloch ist klar, dass jemand anderes als Täterin oder Täter infrage kommen könnte. Bloch sagte gegenüber den Tamedia-Zeitungen: «Ich werde im Gerichtssaal darlegen, dass es Personen gibt, die ein Motiv gehabt hätten.»

Die Staatsanwaltschaft Oberland habe bereits geprüft, ob auch eine andere Täterschaft für den Mord an dem Ehemann von Viviane Obenauf infrage käme. «Diese Ermittlungen hätten zu keinem Ergebnis geführt», sagen die Behörden auf Anfragen von Tamedia.

Ist ein Freispruch für Vivian Obenauf möglich? 

«Ziel ist klar ein Freispruch und nicht lediglich eine Senkung des Strafmasses», sagte Simon Bloch, Verteidiger von Viviane Obenauf, gegenüber 20 Minuten. Seit dem ersten Tag beteuere die Boxerin, die ihr vorgeworfene Tat nicht begangen zu haben.

Das Obergericht hat nun die Aufgabe, den Mordfall und das erstinstanzliche Urteil zu überprüfen. Ein Urteil wird am kommenden Freitag erwartet.

Wer ist Viviane Obenauf eigentlich? 

Viviane Obenauf ist eine ehemalige Boxweltmeisterin aus dem Berner Oberland. Aufgewachsen ist sie in Juiz de Fora, einer mittelgrossen Stadt in Brasilien. 2008 wanderte die damals 22-Jährige nach Europa aus und heiratete später einen Österreicher, mit dem sie zeitweise in der Steiermark wohnte. Aus dieser ersten Ehe stammt Obenaufs Sohn.

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Später begann sie mit dem Boxen – um Übergewicht abzubauen. Dies sei nach der Geburt ihres Sohnes gewesen, sagt Obenauf gegenüber Tamedia. Anschliessend nahm die sportliche Karriere ihren Lauf: Zuerst wurde sie Schweizer Meisterin im Amateurboxen, 2018 gewann sie den Weltmeistertitel im Superfedergewicht.

Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz arbeitete sie in der Gastronomie und betrieb ein Box-Gym. 2020 heiratete sie das spätere Mordopfer, den damaligen Wirt des Restaurants Des Alpes.

veröffentlicht: 19. Februar 2024 06:18
aktualisiert: 19. Februar 2024 06:18
Quelle: BärnToday

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