Bern

Kein Mobilfunk in Adelboden: Lektionen aus dem Blackout

Kein Handyempfang

Wenn Notrufe nicht mehr möglich sind – Stromausfall in Adelboden wirft Fragen auf

14.06.2024, 08:10 Uhr
· Online seit 14.06.2024, 07:49 Uhr
Ende April führte ein grösserer Stromausfall in Adelboden zum Zusammenbruch der Telefonnetze. Auch Notrufe waren zeitweise nicht mehr möglich. Die Gemeinde hat nun erste Lehrern aus dem Vorfall gezogen. Im Bundeshaus könnten ausserdem bald Regeln für die Notversorgung von Mobilfunkantennen beschlossen werden.
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Es ist ein Horrorszenario: Eine Person verunfallt oder hat ein medizinisches Problem – aber das Handy hat keinen Empfang, um Rettungskräfte zu alarmieren.

Solch bange Momente wären Ende April in Adelboden durchaus vorstellbar gewesen. Damals legte ein grösserer Stromausfall das Engstligen- und Teile des Kandertals über mehrere Stunden lahm – bald sendeten auch die Antennen der verschiedenen Mobilfunkanbieter nicht mehr.

Wer Notrufe an Polizei, Sanität oder Feuerwehr absetzen wollte, musste sich zum sogenannten Notfalltreffpunkt begeben, wo Anrufe in die Einsatzzentralen von Armee und Polizei weiterhin möglich waren. Doch der Notfalltreffpunkt wurde in Adelboden erst nach einer gewissen Zeit hochgefahren.

Auf der Engstligenalp mussten Wintersportlerinnen und Wintersportler wegen des Stromausfalls per Helikopter evakuiert werden: 

Quelle: TeleBärn

Wie lange in Adelboden effektiv keine Notrufe möglich waren, ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Passiert ist an jenem Tag nichts, die Ambulanz oder die Rega musste nicht alarmiert werden. Trotzdem wirft die Situation für mögliche weitere Stromausfälle Fragen auf.

Notfalltreffpunkt erstmals im Ernstfall aktiviert

2021 hatte der Kanton Bern das Konzept mit den Notfalltreffpunkten in den Gemeinden lanciert. Adelboden war nun die erste Berner Gemeinde überhaupt, die ihren Notfallstandort wegen eines «Ernstfalls» aktivieren musste.

Weil man am 27. April vorerst nicht wusste, wie gravierend der Stromausfall war, entschieden die Verantwortlichen in Adelboden vorerst abzuwarten, bevor man den Notfallstandort im Feuerwehrmagazin einrichtete. «Das Gebäude war immer besetzt, da am selben Tag zufällig eine Feuerwehrübung stattfand», sagt der Chef des Gemeindeführungsorgans in Adelboden, Christian Sommer.

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Nach dem Mittag wurde der Notfallstandort dann offiziell aktiviert. Tatsächlich vor Ort Hilfe gesucht hat niemand. Trotzdem sagt Sommer gut einen Monat nach dem Ereignis, dass man das nächste Mal den Notfallstandort schneller aktivieren würde. «Das ist eine Lehre, die wir aus dem Ereignis gezogen haben.»

Kommunikation ohne Internet

Vor allem die Information an die Bevölkerung, dass der Notfalltreffpunkt eingerichtet sei, gestaltete sich nach dem Zusammenbruch des Mobilfunknetzes schwierig. Die App «Alert Swiss» beispielsweise, funktioniert ohne Internet nicht.

«Es gab noch die Möglichkeit über die Radios über den Notfallstandort zu informieren, da die Antennen ausserhalb des Tals auf dem Niesen und Niederhorn weiterhin funktionierten», erklärt Sommer. Alternativ wäre eine Information der Bevölkerung mit Patrouillen, die durch das Dorf ziehen, möglich gewesen.

Bei einem nächsten grösseren Stromausfall sei es wichtig, die Leute bereits auf die Notfallstandorte aufmerksam zu machen, bevor das Mobilfunknetz ausfällt, erklärt Sommer. Es wurden weitere ähnliche Punkte erkannt, die nun im Notfallkonzept angepasst und verbessert werden können. Aus dieser Perspektive hatte der Stromausfall im April etwas Gutes, so der Chef des Gemeindeführungsorgans in Adelboden: Die Schwachpunkte des Konzepts wurden aufgedeckt.

(Noch) keine Vorgaben für Mobilfunkanbieter

Zum Notfallszenario kommt es überhaupt erst, wenn das Mobilfunknetz ausfällt. Wie lange sind Mobilfunkanbieter wie die Swisscom verpflichtet, eine Notversorgung der Antennen aufrechtzuerhalten? Die einfache Antwort lautet: Gar nicht. Oder zumindest noch nicht. Wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) mitteilt, bestehen für die Mobilfunkanbieter aktuell keine Vorgaben punkto Notstromversorgung.

Allerdings will dies der Bundesrat ändern. Im November 2023 hat die Landesregierung eine Revision der entsprechenden Verordnung in die Vernehmlassung geschickt. Die Rückmeldungen werden aktuell ausgewertet. Das Bakom betont, dass Mobilfunkanbieter teilweise aus eigener Initiative eine begrenzte Notstromversorgung anbieten.

Notversorgung von vier Stunden?

Die Swisscom schreibt auf Anfrage: «Das Mobilfunknetz funktioniert bis zu einer Stunde ohne Stromversorgung. Grössere Zentralen verfügen über eine Notstromversorgung, hier könnte der Betrieb auch länger aufrechterhalten werden.»

Ein Ausbau der Notversorgung auf vier Stunden wäre laut der Swisscom machbar. Davon würden die Kundinnen und Kunden schon dann profitieren, wenn es regional zu einem kleineren Stromausfall kommt. Eine noch längere Notstromversorgung von beispielsweise 72 Stunden biete hingegen keinen Mehrwert, da die Akkus der Smartphones dann «tot» wären. Swisscom sei daran interessiert, zusammen mit der Strombranche andere realisierbare Lösungen für eine zuverlässige Stromversorgung der Telekommunikation zu entwickeln.

veröffentlicht: 14. Juni 2024 07:49
aktualisiert: 14. Juni 2024 08:10
Quelle: BärnToday

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