Bern

Kündigungswelle in Bern: Sozialämter leiden unter Software Citysoftnet

Citysoftnet

Kündigungswelle im Berner Sozialwesen – wegen neuer Software

18.06.2024, 19:09 Uhr
· Online seit 18.06.2024, 10:22 Uhr
Die Probleme mit der neuen Software «Citysoftnet» der Stadt Bern haben Folgen. Immer mehr genervte Mitarbeitende kündigen und sind Burnout-gefährdet. In den Büros an der Predigergasse herrscht Ausnahmezustand. Wie die Stadtberner Politik auf die Situation reagiert, siehst du im Video.
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Innerhalb eines Jahres hat die neue Software bei zwei der grössten Ämter der Berner Stadtverwaltung für grosse Probleme gesorgt: Das Amt des Erwachsenen- und Kindesschutz (EKS) und der Sozialdienst sind am Anschlag. «Citysoftnet» hätte mit einer umfassenden Digitalisierung vieles erleichtern sollen, das Gegenteil ist der Fall. TeleBärn berichtete im September des letzten Jahres bereits über die Probleme – die Stadt spielte sie aber damals herunter:

Quelle: TeleBärn / Archivvideo 21.09.2023

Dass längst nicht mehr nur von Kinderkrankheiten gesprochen werden kann, zeigt die Kündigungswelle, die die Ämter nun erreicht. Wie die «Berner Zeitung» berichtet, stapeln sich durch «Citysoftnet» auf den Ämtern Mahnungen, Klienten erhalten Kündigungsandrohungen für ihre Wohnungen und Versicherungen und Mitarbeitende können schlicht und einfach nicht mehr.

Enorm viele Kündigungen

Beim Stadtberner Sozialdienst hat im laufenden Jahr ein Siebtel der 160 Angestellten gekündigt, beim EKS hängte 2023 gar jeder Vierte der 185 Mitarbeitenden den Job an den Nagel, berichtet die Zeitung. Auch hätten sich zig Mitarbeitende krankschreiben lassen, darunter die Amtsleiterin des EKS.

Im Januar noch sprach der Berner Stadtrat einen Nachkredit von etwas über einer Million Franken für zusätzliches Personal – über 20 Millionen hat sich die Stadt Bern die Software bereits kosten lassen. Auch hätten die Nachbargemeinden Ostermundigen und Köniz insgesamt rund 140 Fälle, namentlich im Kindes- und Erwachsenenschutz für die Stadt Bern, übernommen. Es wurden Aushilfen eingestellt, um die Pendenzenberge abzutragen.

Zahlungen durch Software im Verzug

Auch BärnToday sind solche Probleme bekannt. Im Mai 2024 meldete sich ein Betroffener bei der Redaktion. Der Sozialhilfeempfänger hätte seine Unterstützungsleistung im April nicht erhalten. Auf Nachfrage beim Sozialdienst hiess es damals: «Die regulären Auszahlungsprozesse verlaufen problemfrei. Es sind aber nach Einführung des neuen Systems vor allem im Bereich Krankenversicherungen Pendenzen beim Zahlen von Prämien entstanden.» Diese Probleme seien aber sukzessive aufgearbeitet worden. Mit den Krankenversicherern habe man diesbezüglich im aktiven Austausch gestanden, ebenfalls wurde die Klientel über die Zahlungsverzögerungen informiert. «Dem Klientel wird dadurch kein Schaden entstehen», so die Leiterin des Sozialamts damals.

Das sagt der Gemeinderat

Dass sich dei Prozesse durch «Citysoftnet» eher verlangsamten als beschleunigten, will der Gemeinderat so nicht bestätigen. «Die Software konnte eingeführt werden und funktioniert grundsätzlich», heisst es in der Stellungnahme des Gemeinderats auf Anfrage der «Berner Zeitung». Man gebe aber auch zu, dass es nach einem Jahr seit der Einführung noch immer ungelöste technische Probleme gebe und Optimierungsbedarf bestehe.

Die Mitarbeitenden fühlen sich derweil im Stich gelassen. Vom Gemeinderat komme nur Pseudounterstützung. Und bereits 2018 gab die Einführung eines neuen Informatiksystems zu reden. Die neue Schulinformatik «Base4Kids» funktionierte ebenfalls nicht wie gewollt. BärnToday berichtete darüber.

(rst)

veröffentlicht: 18. Juni 2024 10:22
aktualisiert: 18. Juni 2024 19:09
Quelle: BärnToday

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