Bern

Pro Juventute kritisiert: Ausgangssperre für Kinder in Moosseedorf bedenklich

Ab dem 1. Juli

«Bedenklich» – Pro Juventute kritisiert Ausgangssperre für Kinder in Moosseedorf

27.06.2024, 17:10 Uhr
· Online seit 27.06.2024, 04:45 Uhr
In Moosseedorf gilt ab nächsten Montag nach 22 Uhr eine Ausgangssperre für Kinder unter 14-jährig. Sie dürfen nachts nur noch mit einer erwachsenen Person unterwegs sein. Der Gemeindepräsident sieht die Massnahme als Appell an die Eltern – die Stiftung Pro Juventute findet das bedenklich.
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Anfang Juni hat die Gemeinde Studen im Berner Seeland beschlossen, dass Kinder unter 14 Jahren nach 22 Uhr nicht mehr allein unterwegs sein dürfen. Nun zieht Moosseedorf mit einer fast identischen Regelung nach. Sie wurde am Dienstagabend an der Gemeindeversammlung besprochen und von der Bevölkerung indirekt gutgeheissen. Unter anderem, um weiteren Vandalenakten vorzubeugen, die zuletzt besonders häufig bei der Schulanlage Staffel vorkamen.

Ein Rückweisungsantrag wurde von den Stimmberechtigten abgelehnt. Bereits ab 1. Juli wird die Ausgangssperre für Kinder umgesetzt.

Denkanstoss an die Eltern

Stefan Meier (SP), Gemeindepräsident von Moosseedorf, betont auf Anfrage, dass das Wort «Ausgangssperre» falsch sei: «Die Jugendlichen dürfen weiterhin in Begleitung einer erwachsenen Person unterwegs sein.»

Der entsprechende Artikel im neuen Reglement richte sich nicht nur an die Kinder, sondern ebenso an die Eltern, erklärt Meier: «Aus meiner Sicht sollte es ein Denkanstoss an die Eltern sein, dass diese wieder mehr mit ihren Kindern unternehmen.» Ausserdem sei es wichtig, dass die Behörden nun eine gewisse Handhabe habe, wenn Kinder alleine in der Nacht angetroffen werden.

Moosseedorf und Studen sind nicht die einzigen Berner Gemeinden, die es Kindern verbieten, nach 22 Uhr alleine unterwegs zu sein. Beispielsweise Interlaken und Matten im Berner Oberland und Lyss im Seeland haben ähnliche Sperrstunden in ihren Reglementen verankert.

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Pro Juventute findet Regel bedenklich

Die Stiftung Pro Juventute, die sich für die Anliegen von Kindern und Jugendlichen engagiert, betrachtet die Massnahme der Gemeinden aus kinderrechtlicher Perspektive als bedenklich, wie Sprecherin Luziana Musliu betont. Juristisch gesehen, stehe die Regelung auf wackligen Beinen, da vergleichbare Massnahmen anderer Gemeinde von höheren Instanzen als unverhältnismässig eingestuft wurden. Zudem sei das Signal, das an die jungen Menschen gesendet wird, fragwürdig, so Musliu: «Es wird vermittelt, dass Erwachsene über sie bestimmen, ohne ihre Meinung einzubeziehen.»

Klar sei es wichtig, dass sich Kinder an Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens halten und nicht Vandalismus betreiben, sagt Musliu. «Ein generelles Verbot trifft aber alle Kinder, auch jene, die sich vorbildlich verhalten.» Ausserdem würden Verbote oftmals nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen.

Zielführender wäre es laut Musliu, die Ursachen für Vandalismus und ähnliche Probleme zu analysieren. Ein sinnvollerer Ansatz als Verbote wäre es, Empfehlungen zu entwickeln, die in Zusammenarbeit mit Jugendlichen und Eltern ausgearbeitet werden.

Keine Bussen – vorerst

Ab dem 1. Juli, also bereits ab nächster Woche, gilt das neue Reglement in Moosseedorf. Kontrolliert werde wie bisher durch einen Sicherheitsdienst, mit welchem die Gemeinde seit Jahren zusammenarbeite. Zwischendurch führe die Kantonspolizei Bern Kontrollen durch.

An der Häufigkeit ändere sich nichts: «Wir werden nicht mehr kontrollieren als vorher, sondern im gleichen Rahmen.» Bussen bei Verstössen seien nicht angedacht. «Die Kinder werden lediglich heimgeschickt und je nach Situation die Eltern benachrichtigt.» Ausschliessen, dass irgendwann Bussen ausgestellt werden, will Meier nicht per se. «Man kann über alles diskutieren», sagt der Gemeindepräsident.

Quasi als Trostpflaster für die Kinder sprach sich die Gemeindeversammlung Moosseedorf am Dienstagabend ebenso für 660'000 Franken aus. Sie sollen in eine Anlage mit Skatebahn, Jumpline und Pumptrack, sowie in einen geheiztes Jugendtreffhaus mit Ludothek investiert werden sollen.

veröffentlicht: 27. Juni 2024 04:45
aktualisiert: 27. Juni 2024 17:10
Quelle: BärnToday

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