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Politikerin und Fussballerin: Aline Trede ist die erste Frau im SFV-Vorstand

Erste Frau im SFV-Vorstand

Aline Trede: «Am Spielfeldrand bin ich angenehmer als im Parlament»

21.06.2024, 08:55 Uhr
· Online seit 21.06.2024, 04:45 Uhr
Die Grünen-Fraktionschefin Aline Trede ist seit diesem Monat Vorstandsmitglied des Schweizerischen Fussballverbandes. Im Interview sagt die Bernerin, wie sie den Frauenfussball in der Schweiz vorantreiben will und wie nachhaltig die Heim-EM 2025 werden soll.
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BärnToday: Sie waren am Samstag beim EM-Spiel der Schweizer Nati in Köln. Wenn Sie damals bereits im Vorstand des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) gewesen wären: Wären Sie auch an die WM in Katar gereist?

Aline Trede: Nein. Ich fliege grundsätzlich nicht, ausser wenn ich beruflich oder von Amtes wegen muss, zum Beispiel als Fraktionspräsidentin. Glücklicherweise bin ich im SFV-Vorstand ja nicht alleine und auch nicht Präsidentin. Deshalb werde ich weiterhin so wenig wie möglich fliegen.

Was halten Sie davon, dass Visit Qatar und Qatar Airways die EM in Deutschland sponsern?

Das sind natürlich nicht gerade meine Wunsch-Sponsoren. Mit Lidl als weiterem EM-Sponsor gibt es aber auch Bewegungen in die richtige Richtung – dass westliche Unternehmen vermehrt wieder Geld geben. Bei solchen Grossanlässen gibt es viele Punkte, die man beim Thema Nachhaltigkeit verbessern kann.

Woran denken Sie?

Bei der EM in Deutschland hat man das Thema zumindest schon auf dem Radar. Es wurde beispielsweise ein Klimafonds gegründet, wo deutsche Amateurvereine finanzielle Unterstützung für Klimaschutzprojekte beantragen können. Die Bemühungen der Uefa sind sichtbar, auch punkto Sicherheit: Das Aufgebot wird so klein wie möglich gehalten, die Spiele werden analysiert und es wird auf eine deeskalierende Strategie gesetzt.

Inwiefern kann der SFV bei Entscheidungen der Uefa und Fifa mitreden?

Der SFV ist einfach einer der Mitgliedsverbände. Wenn mehrere Verbände zusammenkommen, kann man schon etwas bewirken. Der SFV-Präsident Dominique Blanc hat in Kommissionen der Uefa zum Beispiel beim Thema Menschenrecht mitgewirkt. Der SFV und seine Aushängeschilder könnten aber sicher noch mehr machen. Das Männer-Nationalteam von Dänemark verzichtet nun beispielsweise auf eine Lohnerhöhung, bis das Frauenteam gleich viel verdient.

Setzen Sie sich beim SFV ebenfalls dafür ein? Also dass die Schweizer Frauen-Nati den gleichen Lohn erhält wie das Männerteam.

Ja, natürlich, dorthin müssen wir kommen. Im strategischen Gremium kann ich versuchen, entsprechende Richtlinien zu erarbeiten. Das Beste wäre natürlich, wenn die Schweizer Spieler dasselbe machen würden wie die Dänen. Darauf habe ich aber einen sehr kleinen Einfluss. Ich versuche, die Sensibilität für diesen Gender-Gap (engl. für Geschlechterungleichheit, Anm. d. Red.) zu stärken. In der Schweiz ist der Unterschied bei den Löhnen riesig.

Ist der SFV gewillt, Schritte in diese Richtung zu machen?

Ja. Schon nur, dass der Verband nun Frauen in den Vorstand geholt hat, zeigt, dass er will. Und dass sie sich unter anderem für mich entschieden haben, zeigt auch, dass kritische Stimmen durchaus ernst genommen werden. Es sind langsame Prozesse in einem sehr alten Verband, aber es verändert sich etwas.

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Was wollen Sie im Schweizerischen Fussballverband sonst noch bewegen?

Für mich steht nun vor allem die Frauen-EM 2025 in der Schweiz im Vordergrund. Die Uefa steckt viel Geld in dieses Turnier und will, dass es eines der grössten Frauenfussball-Turniere überhaupt wird. Das Turnier soll auch in Sachen Nachhaltigkeit ein Vorzeigeprojekt werden.

Wie soll das gelingen?

Für das Reisen mit dem öffentlichen Verkehr innerhalb der Schweiz wird es ein Kombi-Ticket geben. Wir müssen aber auch schauen, dass die Fans nachhaltig an- und abreisen, also möglichst auf das Fliegen verzichten. Auch die Abfallproblematik ist ein Thema, aber das haben wir in der Schweiz ziemlich gut im Griff, auch bei Grossanlässen. Da geht es zum Beispiel darum, dass man auf Mehrweg- statt auf Einwegbecher setzt.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihr neues Amt sonst noch gesetzt?

Christelle Luisier Brodard und ich wurden zwar nicht per se dafür in den Vorstand gewählt, aber beim Thema Frauenfussball wollen wir uns einbringen und etwas verändern. Das Ziel des SFV für die EM ist, dass sich die Anzahl fussballspielender Frauen und Mädchen in der Schweiz bis Ende 2027 von aktuell 40'000 auf 80'000 erhöht.

Wie wollen Sie dies erreichen?

Es braucht mehr Fussballplätze und Garderoben. Gerade bei den Erwachsenen schaut man oft zuerst für die Männer, während sich die Frauen hinten anstellen müssen. Da braucht es eine faire Planung. In erster Linie braucht es aber mehr Trainerinnen, da muss man schon bei der Ausbildung ansetzen. Meine Tochter spielt beim FC Weissenstein in einem Buben-Team. Ich bin überzeugt, dass mehr Mädchen kommen würden, wenn es mehr Mädchen-Teams gäbe.

Wie könnte die Trainerausbildung verbessert werden?

Bei der Ausbildung von J+S (Jugend+Sport) hätte es zwar viele Frauen, da muss man aber schauen, dass sie langfristig im System bleiben. In der Armee gibt es ebenfalls eine Trainerausbildung – davon profitieren aber nur Frauen, welche die RS gemacht haben. Das könnte man ändern.

Man hört immer wieder von Eltern, die bei Juniorenspielen für Ärger sorgen. Haben Sie sich bei einem Match Ihrer Tochter auch schon mit Schiedsrichterinnen oder Trainern angelegt?

Nein, da gehöre ich zu den angenehmen Eltern. Am Spielfeldrand bin ich definitiv angenehmer als im Parlament. Ich habe grosse Achtung vor den Trainerinnen und Trainern, gerade auch weil sie ihre Freizeit für die Trainings und die Spiele zur Verfügung stellen. Für mich hat es mit Anstand zu tun, dass man sich benimmt.

Sie stehen auch selbst auf dem Rasen – beim FC Helvetia, wo Sie zusammen mit anderen Parlamentarierinnen verschiedenster Parteien Fussball spielen. Können Sie da Politik und Freizeit gut auseinanderhalten?

Das wird nicht immer getrennt. Manchmal kommt es auch in der Garderobe zu einer politischen Diskussion. Für uns ist das aber normal, es ist ja schliesslich unser Job. Meistens reden wir aber über andere Dinge. Wichtig ist, dass wir auf dem Platz als Team zusammenspielen, um zu gewinnen.

Haben Sie auf dem Fussballplatz noch nie den Drang gehabt, eine politische Kontrahentin umzugrätschen?

Nein, aber es fallen schon mal Sprüche wie: «Also nachdem du heute so abgestimmt hast, musst du nun schon fünf ‹Töpfe› schiessen.» Auf dem Platz lernt man sich von einer anderen Seite kennen. Dadurch wird der Austausch viel besser.

veröffentlicht: 21. Juni 2024 04:45
aktualisiert: 21. Juni 2024 08:55
Quelle: BärnToday

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