Bern

Wirtschaftsgericht in Bern: Betrügerpaar soll hinter Gitter

Millionen hinterzogen

Mutmassliches Berner Betrügerpaar soll hinter Gitter

22.10.2024, 18:43 Uhr
· Online seit 22.10.2024, 18:20 Uhr
Die Staatsanwaltschaft will ein mutmassliches Betrügerpaar aus Bern hinter Schloss und Riegel bringen. Die Verteidiger der beiden haben am Dienstag vor dem Wirtschaftsstrafgericht in Bern Freisprüche gefordert. Das Paar soll Millionen an den Behörden vorbeigeschleust haben.
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Die Staatsanwaltschaft hatte den Mann wegen mehrfachen Pfändungsbetrugs, Betrugs und weiterer Delikte angeklagt. Die Frau habe als Mittäterin bei den Betrügereien zu gelten. Das Paar habe sich aus wirtschaftlichen Gründen scheiden lassen, habe aber weiterhin eine enge Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gebildet. So hätten beide von den Betrügereien profitiert.

Konkret warf die Anklage den beiden vor, über Jahre Steuerschulden aufgehäuft zu haben. Im Rahmen zahlreicher Pfändungsverfahren hätten die Angeklagten den Behörden vorgetäuscht, weder über Vermögen noch absehbare Einkünfte zu verfügen. So kamen Verlustscheine im Umfang von mehr als 16,4 Millionen Franken zusammen.

Die angeblich mausarmen Angeklagten hätten in Tat und Wahrheit gemeinsam in Saus und Braus gelebt. Auf einer Liechtensteiner Bank hätten sie gut drei Millionen vor den Berner Behörden versteckt.

Bei einer Hausdurchsuchung fanden sich bei dem Paar zwei Porsches, Golfausrüstungen, Kleider, Accessoires und Uhren von Luxusmarken, eine Weinsammlung und Golfausrüstungen. Die beiden hätten sich nicht geschämt, ungerechtfertigt Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe zu beziehen. Zudem habe das Paar versucht, die Steuerschulden möglichst günstig loszuwerden, indem es Verlustscheine massiv unter Wert zurückkaufen wollte. Der faule Deal flog in letzter Sekunde auf.

Schamlos die Allgemeinheit ausgenutzt

Die Beiden sei absolut schamlos und respektlos gegenüber der Allgemeinheit vorgegangen, sparte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer nicht mit Kritik. Dass der Mann auch noch Parkkarten für Gehbehinderte fälschte, um selber leichter parkieren zu können, sei «kaum zu toppen».

Die Staatsanwaltschaft forderte für den Mann eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten. Dazu solle das Gericht eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 320 Franken und eine Busse von 700 Franken ausfällen.

Für die Frau forderte die Staatsanwältin eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 32 Monaten. Zehn Monate seien unbedingt zu vollziehen, der Rest sei bedingt auszusprechen.

Behörden haben versagt

Der Verteidiger des Mannes forderte für seinen Mandanten einen Freispruch von den Betrugsvorwürfen. Sein Mandant habe sich zwar gegenüber den Steuerbehörden passiv verhalten, Vermögen versteckt oder verheimlicht habe er aber nicht.

Es habe schon lange nicht bloss Vermutungen, sondern harte Fakten gegeben, dass etwas nicht stimmen konnte, betonte der Verteidiger. Doch die involvierten Behörden, etwa die Steuerverwaltung oder die Ausgleichskasse, seien untätig geblieben oder hätten nicht genau genug hingeschaut. Man habe vieles, was der Mann angegeben habe, einfach akzeptiert.

Eine genauere Überprüfung der Angaben des Mannes wäre den Behörden durchaus zumutbar gewesen. Man habe es seinem Mandanten schon sehr einfach gemacht, kam der Verteidiger zum Schluss.

Natürlich wäre der finanzielle Schlamassel ohne Zutun des Angeklagten nicht entstanden, räumte der Verteidiger ein. Doch wenn man von Anfang an genauer hingeschaut hätte, hätte sich Schlimmeres verhindern lassen.

Sein Mandant sei in den Hauptpunkten freizusprechen und lediglich wegen weiterer, kleiner Delikte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 30 Franken und einer Busse von 700 Franken zu verurteilen.

Kein Tatbeitrag geleistet

Der Verteidiger der Frau forderte seinerseits einen Freispruch. Seine Mandantin sei weder Mittäterin noch Gehilfin des Mannes gewesen. Er habe allen relevanten Handlungen und mutmasslichen Unterlassungen selbst begangen. Sie sei nicht involviert gewesen und habe auch keine Kenntnis davon gehabt.

Im Gegensatz zu Mann habe seine Mandantin keine Steuerschulden gehabt und ihr Einkommen korrekt angegeben. Als Mittäterin hätte sie bewusst einen massgeblichen Tatbeitrag leisten müssen. Ein solcher sei aber weit und breit nicht zu erkennen.

Das Wirtschaftsstrafgericht Bern wird sein Urteil am Donnerstag bekanntgeben. Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gilt für die Angeklagten die Unschuldsvermutung.

(sda)

veröffentlicht: 22. Oktober 2024 18:20
aktualisiert: 22. Oktober 2024 18:43
Quelle: BärnToday

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