Quelle: ZüriToday
Ein 26-jähriger Eritreer schlug am Sonntagabend am Zürcher HB grundlos auf eine 55-jährige Italienerin ein. Dabei verletzte er auch eine junge Frau, die zur Hilfe geeilt war. Gegen den mutmasslichen Täter ist in der Zwischenzeit ein Strafverfahren eröffnet worden, er sitzt in Untersuchungshaft.
Keine 24 Stunden nach der Tat, am Montagabend, drehten – ebenfalls am Zürcher HB, ganz in der Nähe des Tatorts – mehrere junge Männer ein Video, das sie am Tag danach auf ihren Social-Media-Plattformen hochluden. Darin nehmen sie auf die Prügel-Attacke vom Vorabend Bezug und sagen, es habe sich dabei nicht um eine Einzeltat gehandelt. «Gerade an Bahnhöfen merken Frauen die Folgen der masslosen Einwanderung», spricht ein junger Mann namens Tobias in die Kamera.
«Sichere Grenzen» gibt zu reden
Tobias, Kopf der Gruppierung namens «Sichere Grenzen», fordert deshalb unter anderem die «konsequente Abschiebung krimineller Ausländer» und die «Sicherung der Schweizer Grenzen». Die «importierte Gewalt», wie die Gruppe Fälle wie jenen vom Sonntagabend bezeichnet, gelte es zu stoppen. Für «Sichere Grenzen» scheint klar: Ein Grossteil der hierzulande registrierten Gewalttaten werden von Ausländern verübt; die Immigration und das Schweizer Asylwesen würden dies indirekt fördern.
«Junge Tat» und «Sichere Grenzen» – diese zwei Gruppierungen sind ganz offensichtlich miteinander verbunden und werden von denselben Personen geleitet. Erstere wird von diversen Medien, aber auch von Experten im rechtsextremen Milieu verortet. Einige ihrer Mitglieder sind polizeibekannt und vorbestraft, unter anderem wegen Rassendiskriminierung, Vergehen gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung.
«Eine bekannte Strategie»
Und was hat es nun mit «Sichere Grenzen» auf sich? Bis anhin hatte diese Gruppierung nicht wirklich von sich reden gemacht. Das am Dienstagabend publizierte Video sorgt nun aber plötzlich für grossen Gesprächsstoff; die Forderungen, aber auch die Nähe zur «Jungen Tat» werden im Netz intensiv diskutiert.
Dass dieselben Mitglieder nun unter einem anderen Namen in Erscheinung treten, hält Hans Stutz, langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene, für keinen Zufall: «Das ist eine bekannte Strategie», sagt er gegenüber ZüriToday. «Auffällig dabei ist, dass die Aussagen von ‹Sichere Grenzen› dem SVP-Parteiprogramm entstammen könnten – mit Ausnahme des Begriffs ‹Bevölkerungsaustausch›.» Als «neue» Gruppierung möchte sie also die breite gesellschaftliche Kreise erreichen und gleichzeitig Unterstützung in nationalistischen Kreisen finden.
Rechtsextremer Partei gelang schon Sitzgewinn
Unter dem bisherigen Namen wäre dies womöglich schwieriger; die vergangenen Aktionen der «Jungen Tat» sind da schon weniger vereinbar mit der Linie einer politischen Partei. Als solche verstehen sich die Gruppierungen denn auch nicht, wie Stutz erläutert: «Sie verstehen sich als Aktionsgruppe. Ich kann mir deshalb nur schwer vorstellen, dass die ‹Junge Tat› oder ‹Sichere Grenzen› sich in naher Zukunft an Parlamentswahlen beteiligen wird.»
Nichtsdestotrotz gilt: Die Gruppierungen bewegen, sie treffen auf Gleichgesinnte, sie verschaffen sich Gehör. Stutz sagt: «Die Pnos (Partei National Orientierter Schweizer, d. Red.) hatte es zuweilen geschafft, als rechtsextreme Partei mit verwandter Ideologie und ähnlichen Parolen einzelne Sitze zu gewinnen.»
Junge Tat störte Dragqueen-Lesestunde
Tobias hatte bereits im vergangenen Oktober auf sich aufmerksam gemacht – als Kopf der Aktionsgruppe «Junge Tat», zusammen mit seinem Kollegen Manuel. Im Zürcher Tanzhaus störte die Gruppierung die Lesestunde «Drag Story Time», bei welcher Kindern LGBTQI-freundliche Inhalte nähergebracht wurden. Vermummte «Junge Tat»-Aktivisten schwenkten Rauchpetarden und sprachen sich gegen die «Gender-Ideologie» aus; Tobias und Manuel verteidigten ihr Vorgehen später in einem Video-Statement.