«Career Management» statt Training mit YB. Stellt sich Aurèle Amenda am Donnerstag kurz nach Mittag normalerweise die Frage, mit welchen gegnerischen Stürmern er es am Wochenende zu tun bekommt, beschäftigt er sich heute mit Sponsoring. Pflichtprogramm für den 20-Jährigen und die anderen 59 Rekruten. Es ist Woche 5 in der Spitzensport-RS in Magglingen.
Auf knapp 900 Metern über Meer liegt Schnee. Nebelschwaden versperren den Blick auf Biel und den See. In der grössten zweisprachigen Stadt der Schweiz aufgewachsen und immer noch wohnhaft, kennt Amenda eher die Kehrseite, eingeschlossen unter einer tiefliegenden Nebeldecke. Auf dem Fussballplatz spielte das Wetter jedoch nie eine Rolle.
Bei Etoile Biel kickte der kleine Aurèle, ehe er mit zehn Jahren in die Jugendabteilung der Berner Young Boys wechselte und sich vom Goalie zum Innenverteidiger umschulen liess. Sein Weg sollte bis in die Königsklasse führen.
Viel Geduld und ein Highlight
Zwei Tage vor dem Gespräch: Im Wankdorf-Stadion ertönt zum dritten und letzten Mal in dieser Saison die Champions-League-Hymne. YB-Trainer Raphael Wicky hat sich für eine Vierer- statt Fünferkette entschieden, für Amenda bleibt kein Platz in der Startelf. Wie in den letzten drei Super-League-Partien muss der junge Innenverteidiger 90 Minuten auf der Ersatzbank Platz nehmen.
Während Amenda in der Schweizer U21-Nationalmannschaft eine feste Grösse ist und die letzten vier Spiele in der EM-Qualifikation über die volle Distanz auf dem Platz stand, sind seine Einsatzzeiten bei den Young Boys markant gesunken, seit er in der Spitzensport-RS weilt.
«Klar würde ich gerne öfter zum Einsatz kommen», sagt Amenda. Dass er sich in Geduld wird üben müssen, war ihm jedoch klar, als er Ende Oktober seinen Dienst in Magglingen antrat. Dies bläuten ihm nicht nur die Klubverantwortlichen Christoph Spycher und Steve von Bergen sowie Trainer Raphael Wicky ein, sondern auch Fabian Rieder und Lewin Blum. Beide absolvierten ebenfalls die Spitzensport-RS. Der eine wechselte diesen Sommer von YB zu Stade Rennes in die Ligue 1, der andere traf am Dienstag gegen Roter Stern Belgrad zum ersten Mal in der Königsklasse.
Es ist nicht so, dass Aurèle Amenda bei YB auf dem Abstellgleis stünde. Hat der Doublegewinner der vergangenen Saison Abschlusstraining oder ein Spiel, wie der Spitzenkampf gegen Servette am Sonntag, ist der Innenverteidiger dabei. So auch beim Gastspiel in der Champions League in Manchester. Eine Woche nach RS-Beginn kommt Amenda gegen City über die volle Distanz zum Einsatz. «Es war ein tolles Erlebnis, gegen die Besten der Welt zu spielen. Grealish, Foden und Haaland haben aufgezeigt, woran wir noch arbeiten müssen.»
Individueller Trainingsplan, klare Ziele
Von den Sternstunden in der Königsklasse zurück in die Rekrutenschule. Nach der dreiwöchigen Grundausbildung mit militärtypischen Übungen wie Zugschule oder Sanitätsdienst befassen sich die Sportler bis zur achten Woche mit dem Karrieremanagement. Daneben steht zweimal pro Tag Training auf dem Programm. Ab Woche 9 liegt der Fokus ausschliesslich auf dem Sportlichen.
Dabei wird an einem individuellen Plan gearbeitet, den Amenda und die vier anderen Fussballer gemeinsam mit Oliver Riedwyl, dem ehemaligen Konditionstrainer der Schweizer Nationalmannschaft, ausgearbeitet haben.
Im Kraftraum wird der Körper definiert, in der Halle an Fitness und Spritzigkeit gearbeitet. Ausserdem auf dem Plan: Ernährung und Regeneration. «Uns werden hier die bestmöglichen Rahmenbedingungen geboten, um uns persönlich und sportlich weiterzuentwickeln.» Dazu gehört auch der Austausch mit anderen Sportlerinnen und Sportlern. Amenda sucht oft das Gespräch mit den Leichtathleten und den Tennisspielern. Es sei interessant, einen Blick in deren Trainingspläne zu werfen.
Bis Mitte März weilt Aurèle Amenda noch in Magglingen. Danach gilt sein Fokus wieder voll und ganz dem Fussball, will sich der Innenverteidiger seinen Stammplatz in der Mannschaft von YB zurück erkämpfen. Mittelfristig sieht sich der schweizerisch-kamerunische Doppelbürger in einer der Top-5-Ligen Europas und in der Schweizer A-Nationalmannschaft. Klare Zielformulierungen und selbstbewusstes Auftreten für einen, der neben dem Platz ansonsten ruhige Töne anschlägt. «Ich weiss, was ich kann und muss mich nicht verstecken», sagt er. Mit 197 Zentimeter wäre dies auch schwierig.
(sda)