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Barcelona: Grossfahndung nach Separatist Puigdemont – Polizist als Fluchthelfer verhaftet

Barcelona

Grossfahndung nach Puigdemont läuft – Polizist als Fluchthelfer verhaftet

· Online seit 08.08.2024, 16:46 Uhr
In Barcelona hat die Polizei eine Grossfahndung nach dem katalanischen Separatistenführer Carles Puigdemont eingeleitet. Er war überraschend in der Stadt aufgetaucht, hielt eine Rede und verschwand wieder.
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Die Grossfahndung der spanischen Polizei läuft unter dem Codenamen «Käfig». An allen grösseren Ausfallstrassen aus der Millionenmetropole am Mittelmeer wurden Strassensperren errichtet. Polizisten kontrollierten jedes Fahrzeug, das aus der Stadt herauswollte, wie im staatlichen TV-Sender RTVE zu sehen war. In einigen Fällen wurden Kofferräume kontrolliert, Motorradfahrer mussten den Helm abnehmen. Gefahndet werde nach einem weissen Auto, berichtete die Zeitung «El País», die von surrealen Szenen sprach.

Puigdemont war am Morgen nach fast sieben Jahren im Exil im Zentrum Barcelonas aufgetaucht und hat vor Ort eine Rede gehalten. Puigdemont war 2017 nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum und der anschliessenden gescheiterten Abspaltung Kataloniens heimlich in einem Auto ausser Landes geflohen.

Kurze Ansprache vor Anhängern

Umringt von führenden Politikern seiner Partei Junts ging Puigdemont unbehelligt zu Fuss durch die Strassen Barcelonas und grüsste links und rechts. Die Polizei, die mit starken Sicherheitskräften vor Ort war, griff nicht ein, obwohl ein Haftbefehl gegen den 61-Jährigen vorliegt.

Anschliessend hielt Puigdemont eine kurze Ansprache vor einigen Tausend Anhängern in unmittelbarer Nähe des Regionalparlaments, wo die Wahl des Sozialisten Salvador Illa zum neuen Ministerpräsidenten Kataloniens anstand. «Heute bin ich hierhergekommen, um Sie daran zu erinnern, dass wir immer noch da sind, weil wir kein Recht haben, aufzugeben», sagte er und bezog sich auf seinen Kampf für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien.

«Wir haben kein Interesse daran, in einem Land zu leben, in dem die Amnestiegesetze nicht amnestieren», fügte Puigdemont hinzu. Er bezog sich auf die Weigerung der Justiz, die beschlossene Amnestie für Separatisten auch auf ihn anzuwenden.

Rätselraten nach Verbleib Puigdemonts

Unterdessen begann im Parlament die Sitzung zur Wahl Illas. Illas wäre seit Jahren der erste regionale Regierungschef Kataloniens, der für einen Verbleib der wohlhabenden Region in Spanien eintritt. Puigdemont hatte angekündigt, er wolle an der Parlamentssitzung teilnehmen. Das sei sein demokratisches Recht als gewählter Abgeordneter. Aber statt nach seiner Rede zum Parlament zu ziehen, tauchte er in der Menge unter. Die Polizei hatte sich Medienberichten zufolge darauf konzentriert, ein Vordringen von Puigdemont ins Parlament zu verhindern. Sogar Tunnel unter dem Parlamentsgebäude seien kontrolliert worden.

Illas Partei war aus der vorgezogenen Wahl im Mai als stärkste Kraft hervorgegangen, benötigt aber die Unterstützung der linken Separatistenpartei ERC, die durch Zugeständnisse bei Finanzfragen und der Förderung der katalanischen Sprache erreicht wurde. Wenn es jedoch bis zum 25. August keine neue Regierung geben sollte, müsste erneut gewählt werden. Bei seiner Bewerbungsrede im Parlament versprach Illa eine Stärkung Kataloniens und setzte sich für eine vollständige Anwendung der Amnestie auf Separatisten ein.

Auf Fernsehbildern war Puigdemont schon kurz nach seiner Rede nicht mehr zu sehen. Die führenden Mitglieder seiner Partei schritten in aller Ruhe und wortlos durch die Menschenmenge Richtung Parlament.

Puigdemont soll sich illegal bereichert haben

Dass Puigdemont trotz des kürzlich unterschriebenen Amnestiegesetzes für Separatisten die Festnahme droht, liegt an einer umstrittenen Auslegung des Gesetzes durch die spanische Strafverfolgung.

Das Amnestiegesetz schliesst Fälle persönlicher Bereicherung ausdrücklich von der Amnesie aus. Obwohl Puigdemont nicht vorgeworfen wird, öffentliche Gelder in die eigene Tasche gesteckt zu haben, wirft ihm der Ermittlungsrichter Pablo Llarena persönliche Bereicherung vor. Denn für seine illegalen politischen Ziele bei dem Unabhängigkeitsreferendum 2017 habe er statt eigenen Geldes öffentliche Mittel verwendet und das komme einer persönlichen Bereicherung gleich, lautet die Argumentation.

Polizist als Fluchthelfer festgenommen

Die spanische Polizei hat Medienberichten zufolge einen ihrer Kollegen unter dem Verdacht festgenommen, Puigdemont beim Untertauchen in Barcelona geholfen zu haben.

Der Beamte habe das weisse Auto zur Verfügung gestellt, mit dem Puigdemont nach einer kurzen Rede vor Anhängern im Zentrum der Stadt entkommen sein soll, schrieben die Zeitungen «El País» und «La Vanguardia» unter Berufung auf Polizeiquellen. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.

Alle Mitglieder der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, einer Art Landespolizei, die für die Festnahme Puigdemonts zuständig war, seien erschüttert über das Versagen. (ear/sda/dpa)

veröffentlicht: 8. August 2024 16:46
aktualisiert: 8. August 2024 16:46
Quelle: sda

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