Bern

Kein Machtkampf mit Marc Lüthi? Mark Streit verlässt den SCB

Eismeister Zaugg

Verzicht auf Machtkampf mit Lüthi – Mark Streits Entscheid ist ein Verlust für den SCB

· Online seit 28.08.2024, 08:44 Uhr
Neben Marc Lüthi hat es keinen Platz für einen zweiten SCB-König. Mark Streit verzichtet auf einen Machtkampf, verlässt die SCB-Geheimloge und hat seine Aktien einem der Verwaltungsräte verkauft. Das ist schade und ein Verlust für den SCB.
Klaus Zaugg / watson
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Mark Streit und der SC Bern: Eine Beziehung, die den Stoff für einen Hockey-Hollywood-Film auf Berner Art hergibt. Den Anfang und das Ende könnten Romantiker nicht besser erfinden. Schade, lebt der Berner Kult-Filmregisseur Franz Schnyder nicht mehr (u. a. «Ueli der Knecht»).

Beim SCB kann Mark Streit keine Karriere machen, weil er als Junior als sportlich nicht tauglich fürs Profihockey taxiert wird. Deshalb wechselt er 1994 zu den Gottéron-Junioren. Nur während des NHL-Lockouts (2012/13) wird er kurz beim SCB spielen (32 Spiele/25 Punkte). Aber da ist er bereits ein NHL-Profi und bringt auch gleich seinen Kumpel John Tavares zum Gastspiel mit nach Bern. 2021 kehrt er aus Nordamerika zurück und wird SCB-Mitbesitzer und Mitglied der SCB-Geheimloge. Nun hat er sich justament 30 Jahre, nachdem ihn der SCB als Junior nicht mehr wollte, aus dem SCB verabschiedet. Oder etwas salopp formuliert: 1994 will der SCB Mark Streit nicht mehr. 2024 will Mark Streit den SCB nicht mehr.

Was ist die SCB-Geheimloge?

SCB-Geheimloge? Der grösste Hockey-Konzern Europas ist im Besitz der SCB Group. In dieser Aktiengesellschaft sind die verschiedenen Tochtergesellschaften wie die SCB Sport AG oder die Beizen-AG zusammengefasst. Die Besitzer der SCB Group bilden eine höchst verschwiegene Männerrunde (Frauen sind keine dabei), einige sitzen im Verwaltungsrat, aber die Namen werden nicht genannt. Die SCB-Geheimloge eben. Eine Bezeichnung, die Marc Lüthi nicht sonderlich zu ärgern scheint: «Nennen Sie es Unterloge oder Oberloge oder meinetwegen Freimaurerloge.»

Zu dieser SCB-Geheimloge gehörte seit 2021 auch Mark Streit. Nun hat er seine Aktien einem der Verwaltungsräte verkauft und ist ganz ausgestiegen. Für wie viel er seine SCB-Aktien weitergereicht hat, sagt er nicht: «Das darf ich wegen des Aktionärsbindungsvertrages nicht verraten. Sonst muss ich eine Busse bezahlen.» Er besitzt jetzt noch zwei SCB-Wertpapiere: «Ich habe noch zwei Saisonkarten im Sitzplatzbereich H, die ich bezahle. Sehr gute Plätze dort, wo einst mein Vater die Spiele verfolgt hat.» Mark Streit nur noch SCB-Saisonkartenbesitzer. Eine Vorstellung, die sogar einen SCB-Romantiker stutzig werden lässt.

Das sagt Streit zum Abgang

Mark Streit, warum haben Sie sich aus dem SCB zurückgezogen? «Ja, ich weiss, das müssen Sie ja fragen. Wir hatten verschiedene Auffassungen. Ins Detail will ich nicht gehen.» Welche Auffassungen das sind, mag er nicht vertieft ausbreiten. «Wir kommen alle gut miteinander aus.»

Verschiedene Auffassungen bedeuten beim SCB andere Ansichten als die von Marc Lüthi. Wer nicht die gleichen Ansichten hat wie Marc Lüthi, hat drei Optionen: Sich anpassen, freiwillig gehen oder gegangen werden wie etwa zuletzt Kronprinz Raeto Raffainer. Mark Streit ist keiner, der irgendeine Form von Streit mag – und ist freiwillig gegangen. Er sagt, es habe keinen Streit gegeben. Verschiedene Auffassungen müssen ja nicht zum Streit führen. Man kann vorher gehen.

Investitionen in Uhren und Mineralwasser

Mark Streit investiert seine Energie jetzt in zwei Firmen, an denen er beteiligt ist: die Uhrenmarke Norqain mit Sitz im bernischen Nidau (u. a. offizieller Zeitnehmer beim Spengler Cup) und die Mineralwassermarke Adelbodner. «Ich werde in diesem Bereich mein Engagement verstärken.» Er pflegt weiterhin sehr gute Beziehungen in die wichtigste Liga der Welt und vor allem zur NHL-Spielergewerkschaft und sagt, er werde vermehrt wieder in Nordamerika unterwegs sein.

So kommen wir durchaus zu einer Erklärung, warum Mark Streit den SCB verlässt. Er sagt, er hätte beispielsweise auch das Amt eines Sportchefs anstreben können. «Aber Jobs im Eishockey verlangen Einsatz rund um die Uhr.» Oder anders gesagt: ganz oder gar nicht. Und da Mark Streit keine halben Sachen macht, ist klar, warum er nach seiner grandiosen Karriere in Nordamerika keinen Job im Hockey-Universum Bern übernehmen mag. Verständlich und klug: Wer in der NHL 41,50 Millionen Dollar brutto verdient und inzwischen eine Familie gegründet hat, muss sich nicht mehr im Hamsterrad eines Hockeyjobs beim SCB abmühen.

Verlust für den SCB

Ein Hockey-Weltreisender, der mehr als 400 Partien in unserer höchsten Liga, mehr als 800 NHL-Spiele bestritten hat und bei 13 WM- und 4 Olympiaturnieren dabei war, kommt womöglich zu anderen Einschätzungen, wie der SCB in der vielleicht heikelsten sportlichen und infrastrukturellen Umbruchphase der Geschichte zu gestalten und zu führen wäre. Und er beurteilt womöglich auch das Personal auf verschiedenen Ebenen anders als einer, der seit 1998 die Hockeywelt primär aus der SCB-Innenansicht heraus kennt und beurteilt. Und da in Bern die Ansichten von Mark Lüthi Gospel (Evangelium) sind, gibt es nur zwei Varianten: widersprechen oder gehen.

Da Mark Streit – anders, als sein Name vermuten liesse – Streit eben nicht mag, hat er auf einen Machtkampf mit Marc Lüthi verzichtet und ist gegangen. Das ist schade und ein Verlust für den SCB.

(watson)

veröffentlicht: 28. August 2024 08:44
aktualisiert: 28. August 2024 08:44
Quelle: watson

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