Bern

Keine Sanierung nach Knatsch um Tempo 30: Holprige Hauptstrasse in Oberdiessbach bleibt

Keine Sanierung

Nach Tempo 30 Knatsch: Ortsdurchfahrt Oberdiessbach bleibt eine Buckelpiste

26.08.2024, 18:42 Uhr
· Online seit 26.08.2024, 11:34 Uhr
Die Hauptstrasse durch Oberdiessbach braucht bald eine Gesamtsanierung. Der Belag ist holprig und die Leitungen so alt, dass es schon mehrmals zu Wasserschäden kam. Zur Sanierung wird es jedoch vorerst nicht kommen, weil die Bevölkerung Tempo 30 nicht akzeptieren will. Der Fall wirkt wie eine Posse, über welche die Verantwortlichen aber schon lange nicht mehr lachen können.

Quelle: TeleBärn

Anzeige

Die Wogen in Oberdiessbach gingen hoch im Frühling. Die Einführung von Tempo 30 auch auf der Hauptstrasse, die durchs Dorf führt, sorgte für hitzige Diskussionen. Zuerst an den Stammtischen der Dorfbeiz «Löwen» oder in der Stallbar, später an der Gemeindeversammlung. Vier Stunden dauerte die Debatte im Juni, bis eine Mehrheit den Plan des Kantons versenkte und Nein zu Tempo 30 sagte.

«Ich war froh, als im Juli die Sommerferien begannen und das Thema endlich in den Hintergrund rückte», sagt Gemeindepräsidentin Bettina Gerber zu BärnToday. Nun könne man sich endlich wieder anderen Themen widmen.

Tempo 30 ist vorerst vom Tisch. Der Kanton wird den Volkswillen in Oberdiessbach akzeptieren, auch wenn der Entscheid der Konsultativabstimmung rechtlich nicht bindend ist. Beschäftigen wird die Ortsdurchfahrt das Dorf aber auch weiterhin.

Unbestritten ist, dass die Hauptstrasse dringend eine Sanierung nötig hat. Diese wird es laut dem Kanton Bern aber vorerst nicht geben. Der Grund: Die gesetzlichen Grundlagen würden eine Sanierung ohne gleichzeitige Einführung von Tempo 30 verbieten.

Keine Trotzreaktion des Kantons

Böse Zungen in Oberdiessbach behaupten, dass der Kanton aus Trotz handle und die Strasse deshalb nicht saniere. Dem widerspricht Luc Schiffmann vehement. Er ist Projektleiter beim kantonalen Tiefbauamt und zuständig für die Sanierung der Ortsdurchfahrt Oberdiessbach: «Uns sind aus rechtlichen Gründen die Hände gebunden. Wenn wir in Oberdiessbach sanieren, dann müssen wir wegen des Lärmschutzes zwingend Tempo 30 einführen.»

Hintergrund ist ein Entscheid des Bundesgerichts, das sich auf die Umweltschutzverordnung stützt und einen ähnlichen Fall in der Zürcher Gemeinde Grünau behandelte. Durch dieses Urteil habe sich die Rechtspraxis geändert, erklärt Schiffmann.

News aus der Region Bern direkt auf Whatsapp!

Lärmbelastung zu hoch

Die Krux ist die Lärmbelastung, die anhand verschiedener Faktoren berechnet wird. Praktisch alle Liegenschaften an der Hauptstrasse in Oberdiessbach sind zu starkem Lärm ausgesetzt. «Unsere Berechnungen haben ergeben, dass lärmmindernder Belag oder Schallfenster nicht ausreichen, um unter die Immissionsgrenzwerte zu kommen. Tempo 30 wäre eine zwingend nötige, zusätzliche Massnahme dafür», erklärt Schiffmann.

Der Kanton könnte das Projekt trotzdem weiterplanen und ein Baugesuch einreichen. Die Chancen, dass es scheitern würde, sei aber gross: «Eine einzige Einsprache eines Liegenschaftsbesitzers könnte ausreichen, dass wir vor Gericht unterliegen. Das würde viel Geld kosten und ist keine Option», so Schiffmann.

Pflästerli-Sanierung auf Zeit

Gemeindepräsidentin Bettina Gerber spricht von einer frustrierenden Situation. Als Richterin ist für sie klar, dass sich der Kanton Bern an rechtliche Grundlagen halten muss. Sie hat die verschiedenen Urteile des Bundesgerichts selbst angeschaut. Kurzfristig heisst es «auf Sicht zu fliege», sagt Gerber. «Die Gemeinde wird kaputte Leitungen flicken und der Kanton wird die gröbsten Löcher im Belag decken.»

Die Hauptstrasse in Oberdiessbach erhält also hie und da eine Art «Pflästerli-Sanierung», die nur auf Zeit funktionieren wird.

Irgendwann ist eine Gesamtsanierung unumgänglich, heisst es bei Gemeindepräsidentin Gerber und beim kantonalen Tiefbauamt unisono. Die Frage wird sein, ob sich bis dahin die gesetzlichen Grundlagen schon wieder geändert haben.

Tempo 50-Vorstoss im Bundeshaus

Das Thema Tempo 30 ist mittlerweile im Bundeshaus angekommen. Das Parlament hat im Frühling einen FDP-Vorstoss genehmigt, der im Strassenverkehrsgesetz festschreiben will, dass auf Hauptstrassen grundsätzlich Tempo 50 gelten soll.

Nun muss sich der Bundesrat mit dem Thema beschäftigen. Ob das Oberdiessbach aus der Bredouille hilft und die Blockade auflöst, ist dennoch fraglich. Gemeindepräsidentin Bettina Gerber sagt: «Wir werden sehen, was auf Bundesebene entschieden wird und wie sich das auf unseren Fall auswirken wird. Ich weiss aber, dass das jeweils ein sehr langer Prozess ist.»

Die Frage ist, ob die sanierungsbedürftige Hauptstrasse noch so lange durchhält. Für Gesprächsstoff an Oberdiessbachs Stammtischen ist jedenfalls weiterhin gesorgt.

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

veröffentlicht: 26. August 2024 11:34
aktualisiert: 26. August 2024 18:42
Quelle: BärnToday

Anzeige
Anzeige
baerntoday@chmedia.ch