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Wird das Schwing-Publikum immer unfairer? SRF-Rundschau-Bericht im Check

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SRF-Rundschau sieht im Schwingen Zustände wie im Fussball – im Ernst jetzt?

· Online seit 05.09.2024, 15:14 Uhr
In einem fast viertelstündigen Beitrag versucht die SRF-Rundschau, im Schwingen Zustände wie im Fussball herbeizureden. Das Publikum besonders im Bernbiet pfeife und juble unfair, wenn die «bösen» Gästeschwinger nicht gewinnen. Bloss: Da wird aus einer Mücke ein Elefant gemacht.
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Die Rundschau von SRF ist das wichtigste Politmagazin im Schweizer Fernsehen, auch wenn der Ruf der Redaktion zuletzt gelitten hat, nachdem interne Kritik an der Redaktionsleitung bekannt wurde. Wenn die Rundschau als Aufmacher einen Bericht zum Schwingen bringt, anmoderiert mit ernster Miene von Moderator Gion-Duri Vincenz, erwartet man mindestens einen handfesten Skandal und sitzt in gespannter Erwartung vor das TV-Gerät.

Doch was ist der Inhalt der grossen Recherche, für die der Journalist viele Schwingfeste besucht und zahlreiche Leute aus der Schwingerwelt interviewt hat? Es ist – mit Verlaub – nicht einmal ein Skandälchen, sondern viel heisse Luft.

Verteidigungskünstler Aebersold lässt Emotionen hochkochen

Stein des Anstosses ist das Verhalten der Schwingfans, vor allem das der Berner. Sie haben in diesem Jahr einige Gastschwinger «hässig» gemacht, allen voran Schwingerkönig Joel Wicki. Bei dessen Gastspiel beim Oberländischen Ende Mai in Brienz wurde der junge Berner Fabian Aebersold frenetisch bejubelt, als es ihm gelang, dem Innerschweizer Wicki einen Gestellten anzuhängen. Wicki fühlte sich respektlos behandelt. Dass der «Blick» Öl ins Feuer goss und von einer «Sauerei» des Publikums sprach, gehört ins Konzept des Boulevards.

Gut zwei Monate später hatte auch der Ostschweizer Domenic «Dodo» Schneider keine Freude am Berner Publikum, als er Aebersold am Oberaargauischen im August in Burgdorf ebenfalls nicht bezwingen konnte. Seinen Unmut tat er kund, indem er in Richtung Tribünen die «Scheibenwischer-Geste» zeigte.

Zwischenrufe und Pfiffe von den Tribünen

Der frühere Innerschweizer Eidgenosse Peter Imfeld sagt im Rundschau-Beitrag, man müsse «schon aufpassen, dass man nicht fussball-ähnliche Situationen» im Schwingen bekomme. Früher sei es fairer gewesen, die Reaktionen des Publikums seien heute teilweise zu extrem.

Zwischenrufe und Pfiffe nimmt auch der Innerschweizer Spitzenmann Pirmin Reichmuth immer öfter wahr. Er macht dafür die Tatsache verantwortlich, dass Schwingen mittlerweile ein neues Publikum anzieht: Junge Leute, manchmal mit reichlich Alkohol intus, mit den alten Bräuchen des Sports nicht immer vertraut. Auch Fabian Staudenmann hat sich diese Saison schon öffentlich gegen Pfiffe in den Schwing-Arenen ausgesprochen, nachdem es am Mittelländischen in Riggisberg nach umstrittenen Kampfrichter-Entscheiden zu solchen Unmutsbekundungen gekommen war.

Berner widersprechen

Doch ist es wirklich so schlimm, verroht das Schwingen langsam aber sicher? Vor allem Berner widersprechen. Schwingerkönig Christian Stucki sagt in der Rundschau, er habe es als Gastschwinger schon vor Jahren erlebt, dass die Leute einen Ausrutscher von ihm bejubelt hätten. Und Adrian Käser findet, man dürfe bald nicht einmal mehr klatschen, wenn ein Aussenseiter dem Goliath erfolgreich widersteht – das könne es ja nicht sein.

Der Beitrag von SRF ist handwerklich und journalistisch seriös gemacht, man merkt, dass lange und intensiv daran gearbeitet wurde. Es kommen alle Positionen zu Wort, der Vorwurf, es sei einseitig berichtet worden, wäre unberechtigt.

Nebenschauplätze aufgebauscht

Aber im Schwingen gilt wie überall im Leben: Entweder, du gehst mit der Zeit – oder du GEHST mit der Zeit. Es sind letztlich dann doch Nebenschauplätze, die aufgebauscht werden. Denn die Schwinger und ihre Funktionäre halten so gut wie alle Traditionen aufrecht, von Jodel-Einlagen und Lebendpreisen bis zur werbefreien Arena.

Ein glückliches Land, dessen wichtigstes Politmagazin solche «Probleme» als Hauptbeitrag breitschlägt. Aber es spricht für den Stellenwert, den der Schwingsport in der Deutschschweiz mittlerweile erreicht hat.

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veröffentlicht: 5. September 2024 15:14
aktualisiert: 5. September 2024 15:14
Quelle: BärnToday

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baerntoday@chmedia.ch