Lange war das Berner Oberland stark im Ski-Weltcup vertreten. Fahrer wie Gustav Oehrli, Hans Pieren, Michael von Grünigen oder Bruno Kernen begeisterten mit ihren Erfolgen die Schweiz. Aber seit über 16 Jahren wartet die stolze Skiregion auf den nächsten Top-Athleten. Seit dem Rücktritt von Bruno Kernen 2007 mussten die Oberländer den Emmentalern aus dem sogenannten «Flachland» klar den Vorzug lassen. Zähneknirschend – denn gerade auf Junioren-Ebene besteht eine gesunde Rivalität zwischen den beiden Regionen.
Während sich der Schangnauer Beat Feuz und der Grosshöchstetter Luca Aerni zu Weltmeistern und gerade im Fall von Feuz zu den besten Abfahrern aller Zeiten kürten, applaudierte das Oberland mit, ein Athlet aus der eigenen Region fehlte aber. Immerhin: Bei den Frauen fuhr zumindest Joana Hählen auf das Weltcup-Podest. Jetzt gibt es auch Licht am Himmel bei den Männern. Bei den Speed-Rennen in Bormio Ende Jahr stehen mit Franjo von Allmen, Marco Kohler und Lars Rösti gleich drei Berner Oberländer «Giele» im Weltcup am Start. Zumindest die Emmentaler dürften die Berner Oberländer Skifahrer in den nächsten Jahren im Griff haben.
Franjo von Allmen, 22, Boltigen
Er zog seine ersten Skischwünge auf dem Jaunpass. Der Name Franjo von Allmen ist den Ski-Fans spätestens seit den Rennen in Gröden Mitte Dezember ein Begriff. Mit hohen Startnummern fuhr der 22-jährige Simmentaler aus Boltigen sensationell auf Rang 9. im Super G. und auf Rang 12. in der Abfahrt. Diese Erfolge kommen nicht von ungefähr. Von Allmen holte sich 2022 gleich drei Medaillen an der Junioren-WM: drei Mal Silber.
Den Mut über die steilsten Pisten der Welt runterzubrettern, hat er sich unter anderem beim Motocross fahren angeeignet. Von Allmen gilt als passionierter Töff-Fahrer. Zudem absolvierte er eine Lehre als Zimmermann, im selben Lehrbetrieb wie Noel von Grünigen, ein weiterer Oberländer Skifahrer im Weltcupzirkus. Im letzten Winter sicherte sich von Allmen Rang 2 in der Abfahrts-Gesamtwertung im Europa Cup. Deshalb hat er in diesem Winter zumindest in dieser Disziplin einen fixen Startplatz im Weltcup auf sicher.
Marco Kohler, 26, Meiringen
Der Haslitaler Marco Kohler aus Meiringen ist im Vergleich mit den anderen Oberländer Talenten schon etwas älter. Der Grund ist eine schwere Knieverletzung, die er sich ausgerechnet beim Heimrennen in Wengen 2020 als Vorfahrer zugezogen hatte. Kohler, der ein guter Freund von Überflieger Marco Odermatt ist und mit diesem die Sportschule in Engelberg besucht hat, kämpfte sich im letzten Winter so richtig zurück. In der Abfahrt gewann er im Europacup die Gesamtwertung und ist deshalb wie Franjo von Allmen in diesem Winter gesetzt. In der Reha trainierte Kohler mit den Schwingerkönigen Matthias Glarner, Kilian Wenger und dessen Trainer Roland Fuchs in Wilderswil zusammen. Der Aufwand hat sich gelohnt. In Gröden fuhrt Kohler in seinem dritten Weltcuprennen auf Rang 8.
Lars Rösti, 25, St. Stephan
Im Vergleich mit seinem Teamkollegen Franjo von Allmen und Marco Kohler steht Lars Rösti an etwas einem anderen Punkt. Der Abfahrtsjunioren Weltmeister von 2019 gilt schon länger als grosses Talent. 18 Starts im Weltcup kann der 25-Jährige aus St. Stephan im Simmental schon vorweisen. Der grosse Exploit blieb bisher aus. 39 Weltcup-Punkte gewann Rösti bisher. Ein 15. Rang bei seinem zweiten Weltcuprennen 2019 in Soldeu ist sein bestes Ergebnis. In Gröden, wo Kohler und von Allmen überzeugten, wurde Rösti 25. Trotzdem hat er alle Fähigkeiten, die es braucht, um der nächste Berner Oberländer Spitzenathlet zu werden. Allerdings benötigt er dazu bald auch regelmässig Resultate in den Top 20. Vielleicht schon in Bormio und sonst bei den Heimrennen am Lauberhorn in Wengen.
Zurbrügg, Hiltbrand und von Grünigen
Mit dem 21-jährigen Frutiger Sandro Zurbrügg und dem 20-jährigen Därstetter Livio Hiltbrand stehen zwei weitere Athleten an der Tür zum Weltcup. Bei seinem Debut in Val d’Isère fuhr Zurbrügg Anfang Dezember im Riesenslalom gar auf Rang 17. Der Simmentaler Livio Hiltbrand wurde vergangenen März Junioren-Weltmeister im Super-G. Neben den beiden Jungspunten fährt auch Noel von Grünigen, der Sohn der Riesenslalom-Legende Michael von Grünigen, im Weltcup. Der 28-jährige Schönrieder blieb bisher im Weltcup weitgehend ohne grosse Erfolge. In 29 Weltcuprennen schaffte er es bisher drei Mal in die Punkte.
Auch wenn der Weg an die absolute Weltspitze dieser Oberländer Talente noch weit ist: Zumindest die Emmentaler müssen sich nach den Rücktritten von Beat Feuz warm anziehen.