Bern

Fall Könizbergwald: Verteidiger verlangt Freispruch für die Mutter

Kindstötung

Fall Könizbergwald: Verteidiger verlangt Freispruch und Entschädigung für Mutter

06.06.2024, 15:21 Uhr
· Online seit 06.06.2024, 15:10 Uhr
Die 32-jährige Frau, die seit Mittwoch in Bern wegen der mutmasslichen Tötung ihrer Tochter vor Gericht steht, soll freikommen. Das zumindest hat ihr Verteidiger am Donnerstag gefordert. Ihr Anwalt zweifelt in seinem Plädoyer insbesondere am 12-jährigen Hauptzeugen.
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Die Frau bekräftigte in ihrem letzten Wort vor Gericht noch einmal, ihre Tochter über alles geliebt zu haben. Die Ermittler hätten sich nur allzu rasch auf seine Mandantin als Täterin fokussiert und andere Spuren ausser Acht gelassen, übte der Verteidiger am Donnerstag in seinem Plädoyer Kritik. «Wo man nicht sucht, da findet man auch nichts».

Die Strafuntersuchung habe sich auf belastendes Material gegen seine Mandantin konzentriert. Und was nicht ins Bild der Ermittler passte, hätten diese kurzerhand passend gemacht.

«Lasst diese Frau jetzt raus!», forderte der Verteidiger das Gericht auf. Seine Mandantin sitze seit Februar 2022 unschuldig in Haft nebst einem Freispruch vom Vorwurf des Mordes forderte der Verteidiger für seine Mandantin auch eine Entschädigung von 172'600 Franken.

Lebenslange Haft

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits am Mittwoch 16 Indizien vorgelegt, die in ihrer Gesamtheit ein klares Bild ergäben: niemand anderes als die Mutter habe im Februar 2022 das achtjährige Mädchen in einem Wald nahe ihres Wohnortes mit einem Stein erschlagen.

Die alleinerziehende Mutter habe das Kind als Last und Hindernis für ihr Liebes- und Partyleben empfunden. Die Tat an dem wehrlosen Kind sei mit äusserster Skrupellosigkeit und aus krass egoistischen Motiven begangen worden. Die Staatsanwaltschaft forderte eine lebenslange Haft für die Frau.

Liebevolle Mutter

Klar, seine Mandantin habe gewisse Beziehungsprobleme gehabt und sei wohl auch nicht die «Hausfrau des Jahres» gewesen, räumte der Verteidiger am Donnerstag ein. Doch daraus zu folgern, sie habe ihre Tochter aus dem Weg räumen wollen, sei realitätsfern.

Hunderte Fotos auf dem Mobiltelefon der Frau belegten nämlich eine sehr liebevolle Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Auch aus zahlreichen Chat-Nachrichten gehe die Fürsorglichkeit der Mutter hervor.

An den Indizien, die die Staatsanwaltschaft vorgebracht hatte, liess der Verteidiger kein gutes Haar. Ein Augenzeuge, der Mutter und Tochter in der Nähe des Tatorts gesehen haben will, sei unglaubwürdig, so der Verteidiger.

Der damals zwölfjährige Junge habe ein grosses Geltungsbedürfnis. Seine Aussagen seien arm an Details und widersprüchlich. Es sei mehr als fraglich, ob der Jugendliche Erlebtes von Erfundenem zu trennen wisse.

Die Verteidigung pochte auf eine Dritttäterschaft. Motive hätten beispielsweise Ex-Liebhaber der Angeklagten, mit denen sie sich im Streit getrennt hatte. Einer von ihnen habe der Frau sogar gedroht. Ihre Alibis habe die Polizei zu wenig genau unter die Lupe genommen.

Das Mädchen habe oft allein draussen gespielt, auch im Wald, dort wo später ihre Leiche gefunden wurde. Die Kleine habe ihrer Mutter auch nicht immer die Wahrheit gesagt, wohin sie gehe oder sei zu spät nach Hause gekommen.

Das Kind habe gemäss einer Lehrperson die Nähe zu anderen Personen gesucht und sei diesbezüglich sehr offen gewesen. Gut möglich also, folgerte der Verteidiger, dass die Kleine auch einer Dritttäterschaft gegenüber zutraulich gewesen wäre.

Aufwühlende Gewalttat

Die Angeklagte, eine heute 32-jährige Frau, wird beschuldigt, am 1. Februar 2022 ihre achtjährige Tochter in einem Wald in der Nähe ihres Wohnorts im Berner Vorort Niederwangen mit einem Stein erschlagen zu haben.

Das Tötungsdelikt bewegte damals die ganze Schweiz. Zunächst war unklar, ob das Kind einem Unfall oder einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Rasch rückte dann aber die Mutter in den Fokus der Polizei.

Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt der Angeklagten keine grösseren psychischen Störungen. Die Frau habe eine Akzentuierung ihrer Persönlichkeit, die aber unter der Schwelle einer Störung liege. Sie habe dadurch Probleme in Partnerschaften, funktioniere aber ansonsten im Alltag, etwa im Berufsleben, gut.

Das erstinstanzliche Regionalgericht Bern-Mittelland Gericht wird sein Urteil am 13. Juni bekannt geben.

veröffentlicht: 6. Juni 2024 15:10
aktualisiert: 6. Juni 2024 15:21
Quelle: BärnToday

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